Usability-Studie über Buch Shops

Die Website von Amazon.de gilt in Deutschland noch immer als Paradigma für Kaufprozesse im Internet. Ziel der im Oktober und November 2006 von SirValUse Consulting durchgeführten Studie war es, die Usability und User Experience der wichtigsten Prozesse zur Kaufvorbereitung von Amazon im Vergleich zu den zwei größten Konkurrenten im Online-Buchhandel auf die Probe zu stellen.

Einer Studie der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) zufolge bereiten immer mehr Verbraucher ihre Käufe im Web vor. Neun von zehn deutschen Internetnutzern informieren sich im Internet über Produkte. Knapp drei Viertel der Onliner (73,6 Prozent bzw. 26,96 Millionen) kaufen auch online ein. Hierbei ist es für den Käufer wichtig, dass er Produkte auf vielfältigen Wegen schnell und einfach finden und sich über die wichtigsten Produktdetails ein detailliertes Bild machen kann, um es dann ggf. zum Kauf in den Warenkorb zu legen.

In einem kombinierten Methodentest wurden die drei Online-Buchhändler Amazon.de, Buch.de und Weltbild.de miteinander verglichen werden. Der Fokus der Studie lag auf der Evaluierung der wichtigsten Funktionen zur Kaufvorbereitung (Produkt finden; Nützlichkeit der Artikeldetails sowie Transfer in den Warenkorb). Um einen größtmöglichen Erkenntnisgewinn über die Usability der Online-Shops zu erlangen, erschien eine Kombination der Methoden Usability-Labor, Eye Tracking und Remote-Testing sinnvoll (eingehende und flexible Explorationen einerseits, größere Stichprobe und die natürliche Testumgebung beim Kunden zuhause andererseits). Insgesamt nahmen annähernd 700 Testpersonen an der Untersuchung teil.

Das Test-Setting aus Remote-Test und User Experience-Test im Labor mit Eyetracking lieferte anhand konkreter Aufgaben einerseits valide Daten, andererseits qualitativ hochwertige Hinweise über die reale Nutzung der einzelnen Shops. Hieraus ließen sich besonders eindeutige Schlüsse zum Nutzerverhalten ziehen, die schließlich zu konkreten Empfehlungen zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Produktes führen können.

Ergebnisse der SirValUse-Studie ‚User Experience Test Online-Buchshop‘

Obwohl Amazon.de den höchsten Bekanntheitsgrad aufzuweisen hat, spielte der Online-Buchhändler nicht die führende Rolle im Vergleich zu seinen stärksten Mitbewerbern. Alle Angebote boten noch eine Menge Verbesserungsmöglichkeiten.

Schon auf den ersten Blick offenbarten die drei Internetbuchhändler deutliche Unterschiede. Zwar gilt Amazon.de immer noch als Prototyp für Internetshops, den besten Eindruck hinterließ jedoch die Startseite von Buch.de. Sie wurde von den Probanden als besonders informativ, gut strukturiert und übersichtlich bewertet. Im Gegensatz dazu wurde beispielsweise die Einstiegsseite von Weltbild.de häufig als zu überladen kritisiert. Sie passe somit zu dem bunten Erscheinungsbild der realen Buchläden von Weltbild, so das Urteil vieler Tester.

Die Startseite

Die Startseite eines Online-Shops bildet den ersten Kontakt des Anwenders mit dem Anbieter. Die Aufgabe einer Startseite sollte es daher sein, den Kunden/Nutzer zum Verweilen einzuladen. Durch einen klaren überblick sollte das Angebot dabei verschiedene Einstiegsmöglichkeiten bieten und dabei die Identität des Anbieters etablieren.

Ihren Funktionen und Aufgaben als Eingang zum Shop wurden die Startseiten der gestesteten Shops nur teilweise gerecht: Insbesondere die Seite von Weltbild.de wurden wegen ihrer Gestaltung, Seitenaufteilung und der fehlenden linken Navigation kritisiert. Bei Amazon.de gingen die Meinungen auseinander – die Seite wurde einerseits als informativ und strukturiert bewertet, die Gestaltung jedoch als blass und kalt getadelt. Die Gestaltung und Struktur der Seite Buch.de sowie deren klare Navigation erhielt hingegen weitestgehend ein Lob.

Der Weg zum Produkt

Wie bei einem Einkauf in einem Buchladen kann man auch bei den Onlinekunden zwei unterschiedliche Such- und Kaufstrategien erkennen: das gezielte Suche nach bestimmten Produkten und das virtuelle Einkaufsbummeln. Die Bummler oder auch Stöberer suchen den Online-Shop ohne konkretes Ziel auf und lassen sich beim Stöbern von den Angeboten leiten und verführen. Die verschiedenen Nutzungsstrategien können sich aber auch alternieren und je nach Situation ineinander übergehen.

Da im Internet bisher noch niemand unmittelbar angesprochen oder gefragt werden kann, entscheidet bei beiden Einkaufsweisen die auf den Seiten angebotene Suchfunktion über den Erfolg oder Misserfolg.

Das Urteil der Online-Shop-Tester bezüglich der Suchfunktion der drei untersuchten Online-Buchshops fiel oft schlecht aus. Die Suche als wichtiger Weg zum Produkt wurde von allen drei Shops nur unzureichend angeboten: Amazon.de und Buch.de bieten bereits auf der Startseite eine Möglichkeit zum Einschränken der Suche an, die Qualität der Suchergebnisse wurde bei allen drei Shops jedoch hinsichtlich der Relevanz und Sortierung stark kritisiert. Es wurden beispielsweise Hörbücher und DVDs angezeigt, wo explizit nur nach Büchern gesucht wurde. Oder eine Suche ergab eine Ergebnisliste mit 5000 Treffern (Weltbild.de). So betrug beispielsweise die tatsächliche Aufgabenlösung beim Auffinden eines Produktes laut Logfile-Analyse lediglich 56% bei Amazon.de und 26% bei Buch.de. Noch schlechter schnitt Weltbild.de mit 15% ab. Überraschend war allerdings, dass die Nutzer zu 96%-97% angaben, das richtige Produkt gefunden zu haben.

Eine weitere wichtige Hilfe bei der Kaufentscheidung ist die Produktbeschreibung, die, laut Nutzer, möglichst umfangreich sein sollte. Amazon.de wurde in diesem bereich am besten bewertet. Die Seite lieferte umfangreiche und detaillierte Informationen. Buch.de enthielt hingegen weniger ausführliche Produktbeschreibungen und bei Weltbild.de fielen die Informationen noch eingeschränkter aus.

Der Warenkorb

Der Warenkorb stellt für die Kunden einen wichtigen Zwischenschritt dar. Er verbindet die Artikel- und Informationssuche mit dem Bestellvorgang.

Die SirValUse-Studie ergab, dass im Shop von Weltbild.de zum Teil bereits das Auffinden des Warenkorbs Schwierigkeiten bereitete. Im Warenkorb traten weitere Usability-Probleme auf – vielen Probanden war beispielsweise nicht klar, wie Bücher aus diesem Warenkorb wieder entfernt werden können. Schließlich störten sich die Tester an den oft zu prominenten Produktempfehlungen, die auf den Warenkorb-Seiten erscheinen, obwohl sie bereits ein Produkt ausgewählt hatten (Amazon.de und Weltbild.de). Im direkten Vergleich der drei getesteten Buchshops konnten Amazon.de und Buch.de den Anforderungen an einen Warenkorb jedoch weitestgehend gerecht werden. Die Warenkörbe beider Shops waren leicht zu erreichen und meist einfach zu handhaben.

Wenn die User also schon beim Stöbern scheitern, wie sich bei Weltbild.de gezeigt hat, dann kommt es auch nicht zum Kauf. Die detaillierten Ergebnisse dieser Studie können den Produktentwicklern – in diesem Fall von Online-Shops – helfen, die auftretenden Schwachstellen im Interface zu korrigieren.

Quelle: Gfk / (sirvaluse)

 

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